SO FING ALLES AN...

SO FING ALLES AN...

So fing es an - die Ära Schmidt-Bott
von Dr. Werner Haubrich

Da kam ein neuer König auf in Ägypten,
der wußte nichts von Joseph.
(2. Mose 1, Vers 8)
Dieser „König“ - das sind wir alle, die wir erst später in den ALTC eingetreten sind, die wir in jeder Saison aufs neue wie selbstverständlich die herrliche Anlage und das gemütliche Clubhaus genießen. Aber viele (die meisten?) der heutigen Mitglieder wissen nichts mehr von Joseph, d.h. von den Anfängen des Clubs. Gut, der Joseph ist in diesem Falle eine Josepha, genauer eine Anneliese, mit dem Zunamen Schmidt-Bott. Dieser Frau verdanken wir die Gründung unseres Clubs. Sie war so freundlich, mit dem Verfasser ein Gespräch zu führen und ihm einen Einblick in ihre mit Akribie gesammelten Unterlagen zu gewähren: Protokolle, Rundschreiben, Briefe, Zeitungsausschnitte, Photos u.a.

Frau Schmidt-Bott, gebürtige Aachenerin, kam nach 20jähriger Abwesenheit 1978 in ihre Heimatstadt zurück und wollte, selbst Tennisspielerin, einem Tennisclub beitreten, aber „die hatten alle ellenlange Wartelisten“. In der Richtericher Halle begeisterte sie einige ihrer noch nicht Tennis spielenden Freunde für ihren geliebten Sport. „Und bei einem schönen Abendessen - wir hatten schon ein paar Glas Wein getrunken - sagten die Freunde zu mir: ‘Anneliese, du bist immer so aktiv, gründe doch selbst einen Verein.’ Ich sag’: Das mach’ ich. Und wenn ich einmal sage ‘Das mach’ ich’, dann mach’ ich das auch.“ Sie machte es wirklich, nämlich sich auf die Suche nach einem geeigneten Grundstück in Laurensberg und glaubte eins am Schloss Rahe gefunden zu haben. „Das Schloss war damals zu vermieten, und wir hatten die tollkühne Idee (Frau Schmidt-Bott lacht), das Schloss könnte unser Clubheim werden. Über weitere Grundstücke wurde verhandelt, alle jenseits des Bahndamms. Aber aus unterschiedlichen Gründen wurde nichts daraus, im Nachhinein muss man sagen: zum Glück! Dann bin ich an Herrn Gläßer herangetreten - der war damals Bürgermeister - , ob er uns bei der Suche helfen könne. Aber ich sagte mir: ‘Wenn wir mit der Stadt verhandeln wollen, dann müssen wir zuerst mal einen Verein gründen.’ Dazu brauchten wir sieben Personen.“ Diese Gründungsversammlung fand am 17. April 1978 im Sandhäuschen statt. Gründungsmitglieder waren: Renate Grandt, Marianne Hammers, Karlheinz Hammers, Dagmar Pappert, Anneliese Schmidt-Bott, Erich Schmidt und Gisela Vargel. Am gleichen Abend wurden auch der Name des Clubs beschlossen („Aachen-Laurensberger Tennisclub e.V“) und die Vereinssatzung verabschiedet. Der erste Vorstand setzte sich wie folgt zusammen: Anneliese Schmidt-Bott (erste Vorsitzende), Karlheinz Hammers (stellv. Vorsitzender), Erich Schmidt (Schatzmeister), Renate Grandt (Schriftführerin). Das Protokoll der Gründungsversammlung enthält bereits einen detaillierten Finanzierungsplan (einschließlich „Walze und Ballwurfmaschine“!). Im Zeitungsartikel über diese Versammlung heißt es, die Tennisplätze sollten „bürgernah und in menschlichen Dimensionen gehalten“, die Aufnahmegebühren und Beiträge nach Aussage des Schatzmeisters, Erich Schmidt, „familienfreundlich“ gestaltet werden. (AN 21.7.78) In der Sitzung des Vorstands vom 23.8.78 werden als erste Mitglieder aufgenommen: die Herren Nick, Pees, Urgatz und Schwamborn. Alle vier delegiert der Vorstand gleich in den Aufnahmeausschuss, zu dem von nun an auch drei Vorstandmitglieder gehörten. Per Handzettel, in Laurensberger Geschäften und in der Sparkasse ausgelegt, wird die Gründung eines neuen Tennisclubs in Laurensberg publik gemacht, und sehr bald gehen viele Aufnahmeanträge ein. In der ersten Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 1978 kann die Vorsitzende bereits die Zahl von 218 Mitgliedern bekanntgeben!

Aufnahmegebühren und Jahresbeiträge (gültig ab 5.12.1978)


Aufnahmegebühren Jahresbeiträge
bei Eintritt*
Aktiv, einzeln 400 DM (50 DM) 250 DM
Ehepaar 650 DM (75 DM) 440 DM
Passiv 50 DM (10 DM) 80 DM
Studierende 150 DM (15 DM) 160 DM
Jugendriege (10-18 Jahre) 100 DM (10 DM) 80 DM



Wie kompliziert das damals alles war, geht aus den Erläuterungen des „Sternchens“ hervor: „Bei Eintritt ist der in Klammern aufgeführte Betrag zu zahlen. Die restliche Summe wird fällig zu je 50% bei Erteilung der Baugenehmigung und bei annähernder Fertigstellung der Plätze.“ (Schreiben vom 6.12.78) Im Rundschreiben der Vorsitzenden vom Sept. 1979 heißt es:
„Den Anwärtern auf Mitgliedschaft sei gesagt, dass ihre Anträge nicht vergessen werden. Unsere Sache macht bei der Verwaltung zwar ständig Fortschritte, doch da nicht nur Gottes Mühlen langsam mahlen, liegt eine endgültige Stellungnahme noch nicht vor. Wir wissen also noch nicht, wie viele Mitglieder wir aufnehmen können.“
Im gleichen Rundschreiben wird mitgeteilt, dass Aussicht bestehe, in der Wintersaison zu günstigen finanziellen Bedingungen in den Richtericher Tennishallen spielen zu können. An gleicher Stelle findet die folgende Sommersaison statt, ja, sogar das erste Clubturnier wird hier vom 10. - 25. August 1979 ausgetragen.

Für den Tennisspieler im Jahre 2003 dürften die Preise für die Platzmiete interessant sein:


7-10 Uhr Teppichhallen Saisonpreis pro Platz 400,- DM
10-12 Uhr Teppich- oder Gummihallen Saisonpreis pro Platz 400,- DM
12-16 Uhr Gummihallen Saisonpreis pro Platz 430,- DM
16-17 Uhr Gummihallen Saisonpreis pro Platz 550,- DM


Dabei handelt es sich sogar um Vorzugspreise für Mitglieder des ALTC. („Um künftige Verhandlungen nicht zu erschweren, bitten wir unsere Mitglieder, über die erzielten Vergünstigungen nicht zu reden.“) Der Punkt 6 in diesem Schreiben der Vorsitzenden (vom 19. Juni 1979) soll seiner Wichtigkeit wegen hier im Wortlaut wiedergegeben werden:

„MITHILFE ... groß geschrieben Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um aufzurufen zur tätigen Mithilfe bei der Erstellung unserer Anlage. Viel wird es zu tun geben, wo Fachwissen und Sachkenntnis nützlich sein kann. Aber auch „Laien“ können Aufgaben bekommen. Voraussichtlich im Herbst werden in dem schönen Hof, den wir übernehmen, Arbeiten zu verrichten sein, die wir zur Kostensenkung selbst durchführen können: Entrümpeln, Abbrucharbeiten (in den Ställen), Abtransport, dann später: Anstreichen, Kälken etc. Wer meldet sich freiwillig? Wer hat spezielle Fertigkeiten? Wer stellt Geräte? Wer hat guten Willen? Alle Angebote werden gern telefonisch (...) oder schriftlich entgegengenommen.“ Hier - wie in allen Schreiben - ist die private Telefonnummer der Vorsitzenden angegeben. Man kann erahnen, wie viele Telefonate für den Verein geführt wurden! In unserem Gespräch betont Frau Schmidt-Bott immer wieder, welche Unterstützung sie durch ihren Mann, Herrn Erich Schmidt, erfahren habe. Der „schöne Hof“, von dem in dem Aufruf die Rede ist, war das Gut Schlottfeld, ein Bauernhof im Besitz der Stadt, gelegen im „Glockenklangbezirk“ (das ist die Umgebung Aachens, in der man die Domglocken noch hören konnte!) und verpachtet an Heinrich und Leni Schulteis. Unterstützt durch den damaligen Bürgermeister, Clemens Gläßer, wurden die Verhandlungen mit der Stadt so weit vorangetrieben, dass der Pachtvertrag mit der Stadt sehr bald unterzeichnet werden konnte. (Das Pächterpaar Schulteis wurde in einen leerstehenden Hof in Seffent umgesiedelt.)

In der Mitgliederversammlung vom 26.2.80 berichtet der Clubwart, Klaus Bernardi, über den Stand der Planungen für die neue Anlage: Bau-Voranfrage bei der Baubehörde (4.5.79), Bauantrag für 10 Tennisplätze (6.12.79), Finanzierungsunterlagen an den Regierungspräsidenten (Dez. 79), Bewilligungsbescheid (im Frühsommer 1980 zu erwarten). Mit dem Bau der Anlage könne voraussichtlich im Sommer 1980 begonnen werden. Der erste Spatenstich erfolgte im Juni 1980.

Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, konnte nur der Innenraum umgestaltet, das Äußere dagegen musste saniert werden.

Noch heute deuten die Schilder an den Umkleidekabinen an, welche Tiere hier untergebracht waren. Auch manches andere verrät noch die ursprüngliche Nutzung. Vielen Mitgliedern ist sicherlich nicht bekannt, dass sich an der Stelle des heutigen Teichs ein Gewässer befand, das - da leicht gülle-durchsetzt - von der Laurensberger Freiwilligen Feuerwehr dankenswerterweise leergepumpt und dann erweitert wurde.

Jetzt beginnt eine Zeit, von der alle, die dabei waren, mit leuchten-den Augen erzählen. Ab Juni 1980 wurde - wozu im Rundschreiben aufgerufen worden war - entrümpelt, abgebrochen, abtransportiert, Steine wurden geklopft, es wurde angestrichen, gekälkt. Viele „meldeten sich freiwillig“, hatten „guten Willen“, „stellten Geräte“. Es muss eine richtige Aufbruchstimmung geherrscht haben. Es sei - so Frau Schmidt-Bott - unmöglich, die Namen all derer aufzuzählen, die geholfen haben. Aber stellvertretend für diejenigen, die ihre „speziellen Fachkenntnisse“ einbrachten, sollen hier genannt werden: die Herren Klaus Bernardi, Manfred Bührmann, Erich Hektor, Erich Schmidt, Harro Schwamborn, Otto Struller und Pavel Zeman.

Ursprünglich waren vier Plätze geplant, doch angesichts rasant steigender Mitgliederzahlen und des nun zur Verfügung stehenden Geländes hatte der Vorstand sehr bald beschlossen, die Zahl der Plätze zu verdoppeln. Bereits ab August 1980 konnte auf drei Plätzen gespielt werden. In der Mitgliederversammlung vom 9. Februar 1981 kann Frau Schmidt-Bott berichten, dass ab der kommenden Saison alle acht Plätze bespielbar seien. Offiziell werden die Plätze vom 10.-12. Juli 1981 eingeweiht. Der Bürgermeister der Stadt Aachen, Clemens Gläßer, freut sich, „dass es auch noch Bürgerinitiativen gibt, die nicht gegen, sondern auch einmal für etwas sind“. Laut Zeitschrift des Tennisvereins Mittelrhein war die Einweihung „umwerfend“. Zur Eröffnung findet das erste Internationale Turnier auf der neuen Anlage statt.

Der Umbau der Stallungen zu Umkleide- und Duschräumen war zu Beginn des Jahres 1983 abgeschlossen, die zum Clubraum umgebaute Scheune konnte ab der Sommersaison 1983 genutzt werden.

Die Finanzierung des gesamten Unternehmens ist ein Kapitel für sich. Um die Zinsen für aufzunehmende Gelder möglichst gering zu halten, erklären sich weit über 100 Mitglieder bereit, Darlehenseinheiten von je 500 DM - einige sogar mehrere - zur Verfügung zu stellen, in einer Höhe von insgesamt über 200.000 DM. Diese Darlehen sowie die geleisteten Arbeitsstunden wurden bei der Festsetzung der künftigen Jahresbeiträge berücksichtigt. So finden sich in meiner ersten Beitragsrechnung vom 20.6.1984 neben den Aufnahmegebühren (540 DM) und dem Jahresbeitrag (271 DM) weitere Beträge unter den Bezeichnungen „Tilgungs- und Ausgleichsbetrag für Darlehenseinheiten“ (42 DM) und „Ausgleichsbeitrag für nicht erbrachte Eigenleistungen“ (21 DM). Im Laufe des Jahres 1985 wurden sämtliche Darlehen zurückgezahlt, in der Jahreshauptversammlung am 13.3.1986 kann der Schatzmeister, Hans Schwartz, verkünden, daß der Verein schuldenfrei ist. Die Gesamtkosten für die acht Plätze und die Umbaumaßnahmen von Umkleide-, Sanitärräumen und Club-raum, einschließlich der Eigenleistungen, beliefen sich letztlich auf 970.000 DM Der Zeitungsartikel in der AVZ vom 11.6.86 zur 5. Wiederkehr der Einweihung der Plätze trägt die Überschrift: „Das Problem des ALTC: Ellenlange Wartelisten“, ein Problem, das heute, im Jahre 2003, alle Tennisclubs gerne hätten! Da Frau Schmidt-Bott in der Mitgliederversammlung vom 10. März 1988 nicht mehr kandidiert, muss ein neuer Vorsitzender gefunden werden. Wer das ist, verkündet die AVZ vom 18.3.88 in der Überschrift: „Franz Scheidt neuer Chef im Aachen-Laurensberger Tennisclub“.

Damit endet eine Ära. Frau Schmidt-Bott auf meine Frage, welche Gedanken sie in Erinnerung an diese Zeit besonders bewegten, nach kurzem Überlegen: „Zu erleben, wie aus einem kleinen Gedanken in echter Gemeinschaftsleistung ein großes Werk entstehen kann.“ Im Gespräch mit ihr und beim Studium der Unterlagen ging mir auf, was wir Frau Schmidt-Bott zu verdanken haben. Sie hat den Verein nicht nur gegründet („Wenn ich einmal sage ‘Das mach’ ich’, dann mach’ ich das auch.“), sondern seine Geschicke 10 Jahre lang mit Power, Engagement und großem Erfolg gelenkt. Die Ehrenmitgliedschaft im ALTC, die ihr und ihrem Mann, Erich Schmidt, verliehen wurde, ist hochverdient.